Ungewöhnlicher Reichtum: textile Schätze aus der Ausstattung der Königswohnungen
Es ist ein enormer Reichtum, den das Residenzschloss Ludwigsburg in den königlichen Räumen birgt. Derzeit befasst sich dort ein Team von Spezialisten der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg mit einem besonders fragilen Schatz: mit den Originalen der textilen Ausstattung aus der Zeit des ersten württembergischen Königspaares am Beginn des 19. Jahrhunderts. Typisch für anspruchsvolle Einrichtungen früherer Epochen sind kunstvoll drapierte Vorhänge, geschmückt mit seidenen Borten, Fransen und Quasten. Diese kunsthandwerklichen Details werden jetzt untersucht und den Räumen zugeordnet. Für die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg ist die originalgetreue Wiedereinrichtung der Appartements von König Friedrich I. und Königin Charlotte Mathilde, an denen seit 2010 gearbeitet wird, eines der größten Projekte ihrer Geschichte.
REICHTUM IN SCHLOSS LUDWIGSBURG
„Wir wissen, wie reich die originale Ausstattung der königlichen Räume in Schloss Ludwigsburg ist“, erklärt Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. „Dennoch sind wir auch nach Jahren immer wieder verblüfft, wie groß dieser Reichtum tatsächlich ist.“ Zur Zeit arbeitet das Team der Fachleute der Staatlichen Schlösser und Gärten an den textilen Dekorationen der Königsräume. Die drapierten und arrangierten Stoffbahnen, prächtig dekoriert mit Borten, Fransen, Quasten und Troddeln – der Fachbegriff dafür: „Posamenten“ –, tragen ganz wesentlich zum Raumeindruck bei und waren Teil der Gesamtkomposition. Denn im Gegensatz zu einer modernen Gestaltung gehörte zur Zeit des Königs in Schloss Ludwigsburg die prachtvolle kunsthandwerkliche Gestaltung der Wände, der Decken und Fenster mit ihrem Schmuck zu einer angemessenen Einrichtung. Derzeit sind die fragilen Schätze abgenommen – für die Untersuchung und Konservierung und um die Wiedereinrichtung der Räume vorzubereiten.
TEXTILE DEKORATIONEN SIND SELTEN ERHALTEN
Nur sehr selten hat sich die textile Ausstattung solch prunkvoll durchkomponierter Räume im Original erhalten: Die Materialien sind fragil und leiden unter Licht und Benutzung. Während die Vorhangstoffe, über die Jahrhunderte oft verschlissen und zerstört, vernichtet wurden, bewahrte man die kostbaren Posamenten auf. Diese Verzierungen, angefertigt aus Seide und Wolle in aufwendiger Handarbeit, waren schon im 19. Jahrhundert so teuer in der Herstellung, dass sie häufig wiederverwendet wurden. „Wir haben festgestellt, dass einige der Posamenten sogar noch in der Nachkriegszeit auf neue Trägerstoffe aufgenäht wurden“, erklärt Dr. Patricia Peschel, die Konservatorin von Schloss Ludwigsburg. „Bei manchen aber sind sowohl die Behänge aus der Zeit vor 200 Jahren als auch die Borten, Fransen und Troddeln erhalten.“ Dazu kommt noch ein Bestand an alten Posamenten, die sich in den Depots des Schlosses erhalten haben. „Zusammen mit den historischen Quellen haben wir damit die Möglichkeit, die textile Dekoration der Räume relativ nah am Originalzustand zu rekonstruieren“, erläutert die Konservatorin.
MATERIELLE KOSTBARKEIT DER AUSSTATTUNG
In der jetzt anstehenden Rekonstruktion aller Fensterdekorationen in den Zimmern des königlichen Paares und in den Repräsentationsräumen sind diese Posamenten der wichtigste Bestandteil für die möglichst authentische Wiedereinrichtung und Wiederherstellung der Raumatmosphäre: „Eine Neuanfertigung der vielen hundert Meter Borten, Quasten und Zehntausenden von Einzelposamenten wäre aufgrund der extrem aufwendigen Handarbeit heute nicht mehr bezahlbar“, erklärt Patricia Peschel. Bei den im Inventar einfach als „Fransen“ bezeichneten Verzierungen handelt es sich beispielsweise um Borten, bei denen jede einzelne Franse ein kleines Kunstwerk der Posamentierkunst darstellt. Jede ist aus verschiedenen, mit mehrfarbiger Seide umwickelten Holzteilen zusammengesetzt, die sich mit Blüten aus seidenumwickelten Pergamentstreifen abwechseln. Die Rekonstruktion der Vorhänge erweist sich als großformatige Puzzle-Arbeit, aber, so erläutert Geschäftsführer Michael Hörrmann: „Die Schwierigkeit ist auch ein Indiz dafür, wie viel an Textilien und insbesondere Posamenten in Ludwigsburg erhalten ist.“
GROSSPROJEKT KÖNIGSWOHNUNGEN
35 Räume im Neuen Corps de Logis mit rund 2.000 Ausstattungsobjekten: Möbel, Gemälde, Porzellane, Leuchter, Textilien und Bronzen – die Aufgabe ist enorm. Außerordentlich selten ist, dass nicht nur der größte Teil der Ausstattung bis ins Detail erhalten ist: Auch wie die einzelnen Räume eingerichtet waren, lässt sich aus den Inventaren der Zeit ablesen. Ab Frühjahr 2020 sollen die Räume wieder so zu erleben sein, wie sie zu Lebzeiten von König Friedrich I. und Königin Charlotte Mathilde am Beginn des 19. Jahrhunderts eingerichtet waren – bis in die Details. Unter der Leitung der Kunsthistorikerin und Konservatorin Dr. Patricia Peschel arbeitet ein ganzes Team an diesem Großprojekt.
SERVICE UND HINTERGRUND
TEXTILE DEKORATIONEN IN FÜRSTLICHEN RÄUMEN
Im 18. und vor allem im 19 Jahrhundert benutzten die Kunsthandwerker Vorlagenwerke, Stichsammlungen, die Muster für die geschmackvolle und modische Dekoration von Fenstern und Bettvorhängen lieferten. Im Gegensatz zu heutigen Vorhängen waren die Arrangements immer mehrteilig. Fenstersturz und Aufhängung wurden von einer Schabracke verhängt, die gerafft und reich mit Borten, Fransen und Troddeln verziert war. Darunter hingen die mehrteiligen Vorhänge, die ebenfalls in komplizierten Raffungen arrangiert, mit Posamenten verziert und von Bändern und metallenen Spangen gehalten waren.
DOKUMENTIERT IN DEN INVENTAREN DES SCHLOSSES
In den Inventaren von Schloss Ludwigsburg liest sich das so: „(…) Zwei Fenstervorhänge von grünem Gourourand, jeder zu fünf Blatt nebst Draperie und Fransen, daran zwei Braclets von vergoldetem Bronze (…), zwei Streifvorhänge von grünem Taffant (…) und zwei Fensterrouleaux von weißem Barchant.“ So detailreich werden die Fensterdekorationen zum Beispiel in einem der Räume von König Friedrich I. von Württemberg, im sogenannten Registraturzimmer, beschrieben. Auch die Wohnung der Königin wies reichen textilen Dekor auf: „(…) 4 Blatt weiß-seidene Streifvorhänge a 2 Blatt mit carmesin Draperien und gelb und carmesin Fransen, Schnüren und Oliven (…) und 2 baumwollene Fensterroulleaux mit Borten an eisernen Querstangen mit baumwollenen Schnüren (…)“ werden etwa im Lesezimmer der Königin aufgelistet. Die Rauminventare des frühen 19. Jahrhunderts beschreiben exakt, was an kostbaren Textilien zur Ausstattung gehörte.
Freitag, 25. Mai 2018
Es ist ein enormer Reichtum, den das Residenzschloss Ludwigsburg in den königlichen Räumen birgt. Derzeit befasst sich dort ein Team von Spezialisten der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg mit einem besonders fragilen Schatz: mit den Originalen der textilen Ausstattung aus der Zeit des ersten württembergischen Königspaares am Beginn des 19. Jahrhunderts. Typisch für anspruchsvolle Einrichtungen früherer Epochen sind kunstvoll drapierte Vorhänge, geschmückt mit seidenen Borten, Fransen und Quasten. Diese kunsthandwerklichen Details werden jetzt untersucht und den Räumen zugeordnet. Für die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg ist die originalgetreue Wiedereinrichtung der Appartements von König Friedrich I. und Königin Charlotte Mathilde, an denen seit 2010 gearbeitet wird, eines der größten Projekte ihrer Geschichte.