Kaiserliches Niveau. Aktuelle Forschung zeigt Qualität der königlichen Ausstattung
Ausgestattet auf kaiserlichem Niveau: So präsentiert sich zunehmend der württembergische Hof bei den aktuellen Forschungsarbeiten der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg in Schloss Ludwigsburg. Viele der Stücke, die heute in Ludwigsburg zu sehen sind, haben ihre Entsprechung in den Schlössern der russischen Zaren in St. Petersburg oder des französischen Kaisers Napoleon – zu erkennen am Niveau. „Die aktuellen Arbeiten in Ludwigsburg verändern den Blick auf den Rang der württembergischen Residenzen – in Ludwigsburg, aber auch in Stuttgart“, zieht Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, ein erstes Fazit.
IMMER WIEDER VERBLÜFFENDE ERKENNTNISSE
König Friedrich I. von Württemberg und seine Frau Charlotte Mathilde ließen am Beginn des 19. Jahrhunderts Schloss Ludwigsburg umbauen und neu einrichten. Anlass dafür war nicht nur ein Geschmackswandel, sondern ein enormer Karrieresprung für den Herrscher Württembergs: Das Land war, befördert durch den französischen Kaiser Napoleon, zum Königreich aufgestiegen. Und die neuen Räume im barocken Schloss, weitläufig und glänzend eingerichtet, sollten diese Rangerhöhung demonstrieren. Die Bestandsaufnahme, Neuordnung und Restaurierung der königlichen Wohnräume im Schloss Ludwigsburg, derzeit das größte Projekt der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, wird 2020 abgeschlossen sein. Dann wird das Neue Corps de Logis, der südliche Gebäudeteil des riesigen Ludwigsburger Schlosses, sich wieder so präsentieren, wie er vor 200 Jahrhunderten aussah.
INTERNATIONALER RANG UND KAISERLICHE STÜCKE
„Wir führen im Zug dieser Arbeiten verstärkt Recherchen zum Kunstgutbestand durch, da dieser noch immer nicht ausreichend erforscht ist“, erläutert Oberkonservatorin Dr. Patricia Peschel: „Dabei stoßen wir auch immer wieder auf neue Erkenntnisse zu dem Kunstgut, das zur Ausstattung des Neuen Schlosses in Stuttgart gehört hat.“ Dr. Patricia Peschel sucht dafür auch das Gespräch mit den Fachkollegen in aller Welt, die für ähnliche Schlösser und Ausstattung verantwortlich sind – und löst immer wieder großes Erstaunen bei den internationalen Kennern aus. „Was in Schloss Ludwigsburg zu sehen ist oder gar einst im Neuen Schloss Stuttgart ausgestellt war, ist nicht nur königlich, sondern sogar von kaiserlichem Niveau“. Das stellt sie fest, wenn sie mit den Fachkollegen redet, die für die Schlösser der Verwandtschaft der Herrscherfamilie zuständig sind: etwa für die Zarenschlösser im russischen St. Petersburg und die dortigen Sammlungen, für die Schlösser der Zeit des französischen Kaisers Napoleon oder für die des britischen Königshauses – denn das war das europäische Niveau, auf dem man sich in Württemberg damals bewegte.
BEISPIELE MIT ROYALER HERKUNFT
Patricia Peschel kann Beispiele zeigen: Etwa ein elegantes Nähtischchen, entstanden um 1780 aus dem einstigen Privatinventar der Königin. Es stammt aller Wahrscheinlichkeit von dem berühmten Möbelkünstler Adam Weisweiler (1746-1820). Er arbeitete immer wieder auch für die britischen Könige Georg III. und George IV., Vater bzw. Bruder der württembergische Königin Charlotte Mathilde, die das feine Stück wohl aus London mitbrachte: „Es war vielleicht ein Teil ihrer Mitgift oder ein Geschenk der Familie“, erläutert Patricia Peschel. Ab 2020 wird es wieder in den Räumen der Königin stehen: im „Sommerarbeitszimmer“. Eine kostbare Uhr, eine sogenannte „Pendule“ aus vergoldeter Bronze, die künftig wieder das „Neue Schreibzimmer des Königs“ schmücken wird, stammt aus Paris. Das Inventar des 19. Jahrhunderts beschreibt das Stück präzise, so dass es sich genau zuordnen lässt.
KOSTBARKEITEN FÜR DAS STUTTGARTER SCHLOSS
Eine zweite Pendule, aufwändiger und kostbarer, hat eine noch prominentere Herkunft: Katharina Pavlovna, die Frau des zweiten württembergischen Königs Wilhelm I. , ließ das Luxusstück im März 1817 von ihren Räumen in St. Petersburg nach Stuttgart bringen. Im Neuen Schloss war sie im grünen Schreibkabinett aufgestellt. Diese Preziose vom Zarenhof allerdings wandert nun ab 2020 ins Depot – denn vor 200 Jahren stand sie nicht in den Räumen von Schloss Ludwigsburg. So wird es vielen eindrucksvollen Stücken ergehen, die vor 200 Jahren den Glanz der Stuttgarter Residenz ausmachten.
ZARENHOF UND KAISERHOF
Etwa eine Prunkvase, entstanden in Paris um 1800 bei Claude Galle (1758-1815), der die Paläste in und um Paris ausstattete und dessen Stücke heute auch in der Eremitage in Sankt Petersburg stehen. Wahrscheinlich kam die Prunkvase als Geschenk Napoleons ins Neue Schloss Stuttgart. Anderes, etwa einen Tischaufsatz aus vergoldeter Bronze, brachte wohl die Zarentochter Katharina Pavlovna aus St. Petersburg nach Stuttgart mit. Vergleichbare Stücke finden sich in der Royal Collection in London und in der Eremitage. Während Ludwigsburg das prächtige Sommerschloss des neuen Königspaars war, residierte man im Neuen Schloss im Herzen von Stuttgart – und die Ausstattung der Residenz war bei weitem prächtiger und kostbarer. Das Mobiliar wurde, als die Räume im Stuttgarter Schloss nach der Zerstörung nicht wieder rekonstruiert wurden, teilweise in Ludwigsburg gezeigt. Jetzt, mit der historisch korrekten Wiedereinrichtung der Wohnungen von Königin und König in Ludwigsburg, wandern diese herausragenden Stücke in die Kunstdepots der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg – und warten auf eine Ausstellungsmöglichkeit. „Mit den jetzt frei verfügbaren einzigartigen Zeugnissen der authentischen Einrichtung des Neuen Schlosses, verfügen wir künftig über erhebliches Potential, um die Qualität der Stuttgarter Residenzkultur wieder breitenwirksam zu vermitteln.“ erklärt Michael Hörrmann.
DER GLANZ DER SOMMERRESIDENZ
Und auch Schloss Ludwigsburg wird glänzend werden: In den nächsten zwei Jahren wird Raum um Raum die originale Situation wiederhergestellt, wie sie durch die alten Inventarbände der Königszeit minutiös überliefert sind – und wie sie sich auch realisieren lassen, denn die Ausstattung von Königin und König ist bis in die Details erhalten. Derzeit sind die Fachleute noch auf der Suche – im Schloss und in den Depots: Denn über die letzten zwei Jahrhundert sind viele Stücke, Möbel, Kunstgegenstände, Bilder, die in der Beschreibung genannt sind, an anderer Orte im Schloss gebracht worden. Sie wurden in detektivischer Feinarbeit aufgespürt; alles wird von den Restauratoren der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg überprüft und vorsichtig konserviert. 2020 werden sich die königlichen Räume im Ludwigsburger Schloss wieder bis in die Details so präsentieren wie zu Zeiten von Königin Charlotte Mathilde und König Friedrich I. am Beginn des 19. Jahrhunderts.